Das Verhältnis zwischen Lehrern
und Schülern ist vielseitig. Der Lehrer gibt Zensuren, er erzieht, er ist
Berater und oft auch Therapeut. In welchen Fällen er die eine oder andere
Funktion ausübt, hängt sehr von der Chemie zwischen beiden ab. Lieblingslehrer
und solche, über die ein Schüler oder eine Schülerin sagen würde „... oh, ich
hasse ihn ...“ oder „Das ist die schlimmste Lehrerin, die ich jemals hatte!“
wird es immer geben und das ist auch gut so – findet jedenfalls Herr Krüger.
Irgendwann müssen schließlich alle Heranwachsenden ja lernen, welche Vielfalt
es im zwischenmenschlichen Bereich gibt und wie man angemessen mit den
unterschiedlichen Personen und Charakteren umgeht.
Natürlich macht Herr Krüger auch
von seiner Seite solche Erfahrungen – regelmäßig! Lieblingsschüler soll es ja
nicht geben, aber in der Praxis zeichnet sich in der Regel dennoch sehr schnell
ab, mit welchen Schülern man einfach und unkompliziert arbeiten und
kommunizieren kann und bei welchen aus beinahe jedem Dialog ein Streitgespräch
wird.
Herr Krüger macht gerne Sprüche.
Nachdem der Job des Lehrers sich in den letzten Jahren sehr verändert hat, der
Lehrer dichter an den Schüler gerückt ist und mehr als Lernberater fungiert,
hat sich dieses auch auf die Wortwahl ausgewirkt. Und so spickt Herr Krüger
seinen Unterricht gerne mit ironischen Sprüchen, Formulierungen zweideutiger
Aussagen oder maßlosen Übertreibungen. Sätze wie „Glaubst du eigentlich, dass der
Gashahn besser funktioniert, wenn du ihn ständig auf- und zudrehst?“ oder „Wenn
du weiterhin auf dem Arm von Natalie rumhämmerst, ist sie bald bekloppt“ oder
auch „Ich glaube, das ist die allerschönste Zeichnung, die ich gesehen habe,
seit ich Lehrer bin!“ (auf die Frage: ‚Stimmt’s, das ist die beste Zeichnung
von allen aus der Klasse!‘ sind also bei ihm keine Seltenheit.
Während Herr Krüger im
Rahmen des Mikroskopierunterrichts von Tisch zu Tisch geht und seine
Siebtklässler beim Umgang mit dem Mikroskop sowie zum richtigen Zeichnen berät,
erwischt er Marco dabei, wie er irgendeinen Text auf ein Blatt Papier schreibt.
„Marco“, ulkt Herr Krüger, „schreibst du mir einen Liebesbrief oder was wird
das da?“ „Nein, das ist was anderes“, antwortet dieser und lässt das Blatt
verschwinden, sodass sich Herr Krüger über das nächste Mikroskop beugt und
diese kleine Begebenheit schnell wieder vergisst.
Zehn Minuten später arbeitet Herr
Krüger am Lehrertisch, als Marco nach vorne kommt, ihm einen Zettel mit den
Worten „Sie wollten doch gerne einen Liebesbrief haben ...“ grinsend überreicht,
wieder abmarschiert und Herrn Krüger beobachtet. Dieser entfaltet das Stück
Papier und liest: „Lieber Herr Krüger – Sie sind der beste Lehrer allezeit. Kuss
Piet + Marco“ Herr Krüger kann sich ein breites Grinsen nicht verkneifen, zumal
die beiden auch noch zwei Herzen dazu gemalt haben. „Ja, ja, schon klar!“ tippt
sich Herr Krüger an den Kopf und funkelt die beiden kurz an, die sich über
seine Reaktion sichtlich freuen.
Herr Krüger arbeitet mit den
übrigen Schülern weiter, von denen niemand weiter etwas mitbekommen zu haben
scheint, bis das Stundenende naht und Herr Krüger zum Aufräumen auffordert. Als
es schließlich klingelt und sich der Fachraum leert, wollen die beiden Jungs dem
noch einen draufsetzen: „Herr Krüger, gucken Sie mal ...“, hört Herr Krüger und
schaut auf. In dieser Sekunde formen die beiden aus ihren Händen jeweils ein
Herz und rufen: „Tschüss Herr Krüger ...“, stoßen ein lautes Lachen aus und
verlassen den Raum. Auch Herrn Krüger haben sie ein zweites Mal zu einem
breiten Grinsen gebracht. ‚Ich hab schon ein paar echt anstrengende Schüler in
meiner Klasse, aber ... süß sind sie ja irgendwie trotzdem!‘ stellt Herr Krüger
fest und verlässt den Biotrakt noch immer mit einem Lächeln.
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